„Eines Tages kam man in Frankreich auf die Idee, zwei liegende Männer mit Kunststoff zu überziehen und auf Räder zu stellen“, schrieb Herbert Völker (Chefredakteur der Autorevue) über den Alpine A110. Die Erklärung klingt für den Sportwagen mit nur 113 Zentimetern Höhe plausibel. Der Blick auf die Leistungsdaten erzeugt heute nur ein müdes Lächeln. Doch dank konsequentem Leichtbau und ausgeklügelter Technik ist „le Turbot“ („der Plattfisch“) nicht zu unterschätzen. Mit gut 1,0 Litern Hubraum und 52 PS erreichte der erste Alpine A110 Berlinette 170 km/h! Spätere Varianten kamen auf bis zu 1,8 Liter und 175 PS.
Sportwagen für jedermann: Alpine A110!
Von 1961 bis 1977 gebaut, errang der Alpine A110 zahlreiche Siege im Rallye-Sport. Er dominierte die Szene, bis er durch den Lancia Stratos abgelöst wurde. Mit dem Alpine A110 Berlinette machte der Hersteller Sportwagen für jedermann zugänglich. Der erst 1962 auf dem Pariser „Salon de l’Automobile“ vorgestellte A 110 Berlinette „Tour de France“ schien direkt von der Rennstrecke zu kommen. Er stahl anderen Herstellern die Show.
Das Konzept des Alpine A110 war wie bereits bei seinen Vorgängern bewährte Großserientechnik von Renault. Der Vorteil: Ganz klar der Preis. Und natürlich die Möglichkeit, das Fahrzeug in jeder Renault-Werkstatt warten zu lassen. Der Unterschied zwischen den reinen Rennversionen und ihren zivilen Ablegern bestand vorwiegend im getunten Motor. Der Käufer hatte also durchaus das Gefühl, einen echten Rennwagen zu besitzen.
Jean Rédélé: Der Schöpfer des Alpine A110!
Es begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Jean Rédélé übernahm die Renault-Vertragswerkstatt seines Vaters und wurde mit 24 Jahren der jüngste Renault-Händler Frankreichs. Ab 1951 fuhr der motorsportbegeisterte Rédélé mit Fahrzeugen von Renault selbst erste Rennen und war sehr erfolgreich. 1952 begann er mit ersten Tuningmaßnahmen an seinem Renault 4CV. Bereits 1953 fuhr er mit einem selbst konstruierten Rallyewagen auf Basis des 4CV erste Siege ein. 1955 entstand die Marke Alpine und bot den Alpine A106 an. 1958 folgte der Alpine A108, der wie bereits sein Vorgänger über einen Heckmotor verfügte.
Seinen ersten großen Auftritt erlebte der A110 im Jahre 1962. Obwohl bereits seit 1961 produziert, wurde er erst ein Jahr später der Öffentlichkeit präsentiert. Die Unterschiede zum A108 waren marginal. Der Übergang der Modellreihen war fließend. Das Design blieb nahezu unangetastet. Selbst das Armaturenbrett des A108 wurde in den ersten Modellen übernommen. Änderungen und Verbesserungen flossen Stück für Stück in die Serie ein.
Viel Fahrspaß trotz kleiner Motoren: Alpine A110!
Seinen Erfolg verdankt der Alpine A110 nicht nur seinen Motoren. Konsequenter Leichtbau machte den Einsatz kleinerer Antriebe möglich, ohne auf Fahrleistung zu verzichten. Sein Gewicht von nur 710 bis 750 Kilogramm machte ihn zu einem der leichtesten Serienwagen seiner Klasse. Die Urversion brachte nur etwa 575 Kilogramm auf die Waage. Die Karosserie bestand, wie bereits beim Vorgänger, aus Kunststoff. Das Gewicht der Karosserie der Rennversion betrug gerade einmal 27 Kilogramm. Wettkampfschäden konnten durch die aufgeschraubte Karosserie leicht behoben werden. Auch beim Chassis wurde auf Gewichtsersparnis geachtet, ohne auf Performance zu verzichten.
Der Alpine besitzt nur das, was zum Fahren unbedingt gebraucht wird. Auf unnützes Zubehör verzichtete Rédélé. Komfortoptionen für den privaten Käufer waren sehr übersichtlich. 1962 konnten nur Liegesitze, beheizbare Frontscheibe, Nebelscheinwerfer und Sportlenkrad geordert werden.
Da die Motoren des Renault 4CV tuningtechnisch ausgereizt waren, wurde auf die neueren Triebwerke des Renault 8 gesetzt. Diese boten durch ihre fünf- statt dreifach gelagerte Kurbelwelle mehr Möglichkeiten der Leistungssteigerung. Der 956 cm³-Motor leistete anfangs 52 PS und brachte den A110 auf eine Geschwindigkeit von 170 km/h. Ein Tempo, mit dem sich der Wagen selbst vor der Oberklasse nicht verstecken musste. Geschaltet wurde mit einem manuellen Vierganggetriebe (wahlweise auch Fünfgang).
Neben der Rallye-Version wurde 1962 auch ein 2+2-Sitzer vorgestellt. Der Alpine A110 GT4 gilt mit 263 gebauten Exemplaren als besonders seltener Oldtimer.
Viele kleine Leistungsschübe: Der Renault Alpine A110
Verbesserungen flossen stetig in die Serie ein. So wurde die Leistung des kleinen 1,0-Liter-Triebwerkes bis 1966 auf 80 PS erhöht. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei prestigeträchtigen 200 km/h. 1964 bot Alpine einen 1,1-Liter-Motor an. Ein Jahr später konnten die Käufer gegen Aufpreis die von Gordini auf 95 PS getunte Version ordern. „Le Sorcier“, der Hexer, wie Gordini auch genannt wird, wurde zum Haustuner des Unternehmens. Seine Fähigkeiten, das Letzte aus Motoren herauszuholen, sind legendär.
1965 ist für Alpine ein ereignisreiches Jahr. Erstmals sind die Autos über das Händlernetz von Renault zu haben. Das erhöhte die Reichweite enorm. Alpine zeigte auf dem Pariser Automobilsalon, was alles machbar ist. Das auf 1,3 Liter aufgebohrte Gordini-Triebwerk des A 110 1300/S leistete ganz ohne Aufladung 120 PS und ließ eine Geschwindigkeit von 228 km/h zu. Alpine stellte die meisten Sportwagen der Konkurrenz damit in den Schatten. Zudem kam ein völlig neuer Motor ins Spiel. Der erste Vollaluminiummotor von Renault hatte 1,5 Liter Hubraum und bot großes Potenzial für Tuningmaßnahmen. Für den Alpine wurde die Leistung von ursprünglich 55 PS auf 70 bis 90 PS gesteigert. Ab diesem Jahr trägt er auch die zwei großen Zusatzscheinwerfer.
Der 1.565 cm³ große Motor des Renault 16 TS kommt ab 1968 ins Programm. Anfänglich mobilisierte er 102 PS. Nur ein Jahr später wurde er im Alpine A110 1600 S mit 138 PS angeboten. Das neue Triebwerk kam zur rechten Zeit. Bislang trat der A110 vor allem bei nationalen Wettkämpfen an. Durch die Zusammenlegung der Sportabteilung mit Renault nahm Alpine zunehmend an internationalen Rallyes teil.
1971 bekam der Motor einen finalen Leistungsschub. Marc Mignotet bohrte ihn auf 1,8 Liter auf und ermöglichte eine Leistung von bis zu 180 PS. Die bedeutendsten Erfolge des A110 sind Siege bei der internationalen Markenmeisterschaft 1971 und der ersten Rallye-Weltmeisterschaft 1973.
Aufladen bitte!
Mignotet und Bernard Dudot rüsteten den Alpine A110 im Jahre 1972 mit einem Turbolader auf. Die Leistungsmessung auf dem Prüfstand ergab 240 PS. Für den Renneinsatz wurde die Leistung jedoch auf 200 PS gedrosselt. Die brachiale Leistungsentfaltung des Motors war durch die Verzögerung von 3 bis 4 Sekunden kaum beherrschbar. Dennoch gelang es Jean-Luc Thérier gleich im ersten Rennen, einen Sieg einzufahren. Den ersten eines turbogeladenen Autos im europäischen Motorsport. Dudot zeichnete sich auch für den ersten turbogeladenen Motor in der Formel 1 verantwortlich. Die sportlichen Erfolge sorgten auch für einen kräftigen Schub in den Verkaufszahlen.
Aus Alpine wird Renault!
1973 erlangte Renault die Aktienmehrheit des Herstellers Alpine. Der langsam alternde Alpine A110 erhielt eine Benzineinspritzung und anstatt der hinteren Pendelachse Einzelradaufhängungen. Dennoch blieben die großen Erfolge auf der Rennstrecke langsam aus. Der Lancia Stratos übernahm das Ruder. 1977 rollte der letzte Renault Alpine A110 vom Band.
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Original ist selten: Kauf eines Renault Alpine A110!
Viele Exemplare wurden nachträglich optimiert und umgebaut. Oft lässt sich dieses schwer erkennen. Die Karosserie aus Kunststoff ist zwar resistent gegen Rost, jedoch nicht gegen häufig auftretende Spannungsrisse. Rost ist meist am Rahmen des A110 zu finden. Ein Nachlackieren sollte sachgemäß erfolgen. Neue Lacke vertragen sich mit den alten nicht und lösen sich mit der Zeit. Die restlose Entfernung des alten Lackes ist nötig.
Die Elektrik sorgt häufig für Ärger. Ausgefallene Kühlerlüfter, korrodierte Masseanschlüsse und schlechte Absicherung sind oft Auslöser von Pannen. Ölundichtigkeiten sind hingegen beinahe Normalität. Insbesondere die Gordini-Triebwerke wurden oft hart beansprucht. Hier ist besonderes Augenmerk nötig. Auch die D-Jetronic neuerer A110 gibt mangels Wartung Anlass zur Sorge. Achten Sie auch auf die Wellenlagerung in den Achsrohren der älteren Modelle mit Pendelachse, auf die Hardyscheibe der Lenkung und die Achsbuchsen.
Die Ersatzteilversorgung ist verhältnismäßig gut. Auch Nachfertigungen sind zu haben. Achten Sie jedoch auf Qualität und kaufen Sie nicht die billigsten Teile. Problematisch ist die Beschaffung von Zierteilen und einigen speziellen Komponenten der Gordini-Motoren.
Selten ist ein Renault Alpine A110 unter 50.000 Euro zu haben. Für gute bis sehr gute Exemplare sind zwischen 70.000 und 120.000 Euro zu veranschlagen. Besonders rare Modelle können die 150.000 Euro übersteigen.
FAQ
Insgesamt entstanden zwischen 1961 und 1977 7.489 Renault Alpine A110.
Ausschließlich für den Rallyesport wurde ein turbogeladener 1,8-Liter-Motor mit 240 PS entwickelt. Dieser entstand aus einem 1,6-Liter-Motor des Renault 16 TS.